Die Krise lässt uns nicht in Rollenbilder der 50er zurückfallen, sondern deckt auf, wie wenig sich seitdem geändert hat – und warum diese Erkenntnis genutzt werden muss um völlig neu zu denken

Die Rolle der Frau in Krisenzeiten wird in diesen Tagen viel besprochen und beschrieben. Kinder, die keine Lust auf Homeschooling haben, Männer, die weitermachen wie bisher, nur eben zu Hause. Ernährer, die ernährt werden müssen. Impulse, sich ein Cocktailkleid anzuziehen und das Buch „Die gute Hausfrau“ von 1955 downzuloaden. Ich spüre ein tiefes Gefühl von Machtlosigkeit und Frust in meinem weiblichen Umfeld, auch bei mir selbst. Vielerorts muss man sich anhören, oft von den eigenen Müttern oder auch von Männern: „So ist das nun gerade mal“ oder „sei doch froh, hast Du endlich mal richtig Zeit mit Deinen Kindern“.  Abgesehen, dass viele die Zeit, die sie mit ihren Kindern beim Homeschooling verbringen inzwischen lieber mit einer Wurzelbehandlung ohne Betäubung tauschen würden, drängt sich der Gedanke auf, was denn so falsch an mir ist, dass mir das nicht reicht. Gar nichts ist falsch an mir und an meinem weiblichen Umfeld auch nicht! Unter Corona ist eine Falle zugeschnappt, in der wir uns allerdings schon Jahre bewegt haben und die Augen möglichst geschlossen hielten um nicht zu sehen, dass viele Frauen in Deutschland ein Leben führen, welches sie nicht glücklich macht oder sogar krank. Jeder Mensch braucht eine Aufgabe, die ihn erfüllt. Nein, das heißt nicht, dass mich meine Kinder nicht erfüllen! Aber eben nicht NUR meine Kinder. Jeder braucht Anerkennung und Wertschätzung und damit meine ich nicht nur das selige Lächeln der Kleinen, wenn ich mit ihm kuschele oder ein Lob bezüglich meines Bohneneintopfes.

Und jeder, der sich über ein gelegentliches Spülmaschine Ausräumen und Kind bespaßen schon mal um einen Haushalt gekümmert hat weiß, dass dies eine Sisyphos – Arbeit ist, die mitnichten mit Wertschätzung überschütten wird. Von keiner Seite. Aber wem kann man da eigentlich einen Vorwurf machen? Meinem Mann, der immer sagt, „ich muss arbeiten“ und sich an sein Laptop zurückzieht? Auch wenn mich das in dem Moment wütend macht, sicherlich nicht. Denn auch er ist ja Opfer tiefverwurzelter Denkstrukturen, die durch die Krise unter ein Vergrößerungsglas gelegt worden sind, so dass man die Augen davor nun nicht mehr verschließen kann und darf. Es ist was faul im Staate Deutschland und es beginnt zu brodeln, zu stinken und zu blubbern. Und ich kann nur hoffen, dass aus diesem Blubbern irgendwann ein Blob wird, der nicht mehr aufzuhalten ist.

Wenn ich unsere Familienministerin in einer Talkshow reden höre, in der es unter anderem um das Thema geht, warum wir Frauen uns emanzipatorisch 30 Jahre zurückversetzt fühlen, fällt mir zuerst selber gar nicht auf, wie falsch sich das anhört, wenn sie sagt, dass mehr getan werden muss für die außerhäusige Kinderbetreuung. Längere Kita- und Krippen – Öffnungszeiten, am besten 24/7.
Aber wer hat denn eigentlich festgelegt, dass man sich zwischen Zeit mit den Kindern und Beruf entscheiden muss? Warum muss ich meine Kinder eigentlich ganze Tage fremdbetreuen lassen um Karriere zu machen oder meinen Beruf erfüllend zu leben? Weil ich mich sonst damit abfinden muss, dass ich vermutlich den Rest meines Arbeit – Lebens die Teilzeit – Mutti im Unternehmen bin, die sich in einer Welt, in der Vollzeit zu arbeiten und die anatomische Unmöglichkeit schwanger zu werden,  leider oft mehr Wert ist als Qualität und Leidenschaft für seine Arbeit.

Lieber schafft der Staat die Möglichkeit für Eltern sich beide NICHT um ihre Kinder zu kümmern als die Möglichkeit, dass BEIDE sich um ihre Kinder kümmern.
Ist das wirklich nur eine finanzielle Frage? Ich bin nicht so gut in Mathe, aber es schwant mir, dass dies nicht der einzige Grund sein kann. Unsere Generation, die in den 60ern und 70ern groß geworden ist, ist noch viel zu geprägt von der Struktur, dass der Job, der das meiste Geld nach Hause bringt auch mehr „wert“ ist. Welche Frau hatte nicht schon öfter mal das Gefühl, dass es ja ganz schön ist, dass man sein Jodeldiplom in der Tasche hat um etwas „eigenes“ zu haben. Aber wenn es darum geht, welcher Job denn zeitlich bevorzugt behandelt wird, wenn die Kinder zum Geigenunterricht gefahren werden müssen, ist dann der, der mehr Geld bringt. Leider ist das, bis auf einige Ausnahmen, oft der Job der Männer. Und warum? Weil im Zuge der Familienplanung eben diese monetäre Bewertung auch als Grundlage genommen worden ist. Wer in Elternzeit geht, arbeitet in der Regel zukünftig Teilzeit und stellt somit seine berufliche Entwicklung in der Regel hinten an. Ein Teufelskreis beginnt! Viele Frauen landen in einem Burnout, weil sie sich in diesem Kreis wund laufen und die wenigsten finden hier eine befriedigende Lösung oder Ausweg. Und mal Hand aufs Herz, wie viele Männer sind hier wirklich bereit, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, da diese eventuelle Lösung für beide einschneidende Veränderungen bedeuten würden. Auch Unternehmen tun sich hier schwer. Flexibilität im Job ist das A und O, da ist dem Mut und dem Entwicklungsdrang keine Grenze gesetzt. Geht es aber darum Strukturen zu finden und zu etablieren in denen Männer arbeiten und sich gleichzeitig um die Familie kümmern, wird der Horizont plötzlich ganz eng.
Also doch 24 Stunden Kitas? Ich weigere mich zu glauben, dass es im Jahr 2020 nicht anders geht. Klar brauchen wir Betreuungs-Strukturen, die auf Fremdbetreuung basieren. Aber rund um die Uhr? Oder ganze Tage? Warum werden Familien, in denen sich beide für Beruf UND Kinder entscheiden und diese annähernd gleichberechtigt betreuen, nicht stärker finanziell entlastet, bzw. gefördert. Warum gibt es eine Förderung für Frauen, die zu Hause bleiben, aber nicht für Frauen, die mehr arbeiten als die üblichen 20 Teilzeitstunden? Gleichzeitig würde man sich das Geld sparen für Erzieher und Betreuer, die eh schon unterbesetzt sind.
Warum ist es im Jahr 2020 nicht möglich Strukturen in Unternehmen so zu gestalten, dass Männer Karriere machen können und sich trotzdem um ihre Kinder kümmern können? Mich beschleicht das Gefühl, dass dies gar nicht gewollt ist, da wir uns leider immer noch in einer Männer – dominierten Arbeitswelt befinden, in welcher Frauen und insbesondere Mütter, nur schwer Akzeptanz erlangen. Es gibt hier sicherlich Ausnahmen und gute Ansätze, doch leider sehe ich hier keinen grundsätzlichen Entwicklungstrend.
Das finde ich dumm und schade, denn Diversität in Unternehmen bringt nicht nur nachgewiesener Weise mehr Gewinn und zufriedene Mitarbeiter mehr Leistung, sondern auch kreativen Wind in eine darniederliegende Wirtschaft.
Hinzukommt, dass sich das Problem nach der Krise eher verschlimmern wird. Der Arbeitsmarkt ist eng und welcher Chef würde dann nicht den gebärunfähigen Endzwanziger der gebärfähigen Endzwanzigerin vorziehen? Ich möchte mich nicht entscheiden müssen zwischen meinen Kindern und einem befriedigenden Arbeitsleben, ich möchte nicht auf Steuerkarte 5 arbeiten und am Ende des Monats ein paar Kröten bekommen dafür, dass ich mich zwischen Job und Kind halb zerrissen habe mit dem Argument, dass mein Mann ja dann mehr verdient. Ich möchte nicht, dass meine Kinder in dem Glauben groß werden, dass Papa das Geld verdient und Mama die Wäsche wäscht und ich möchte auch nicht, dass meine Kinder bis 18.00 in einer Betreuung bleiben müssen. Ist das wirklich so unmöglich? Nein, aber es erfordert einen gemeinsamen Aufbruch der Rollenbilder. Dieser braucht allerdings ein wenig Hilfe und Anstoß vom Staat und von der Politik, die ein Umdenken dieser Rollen etablieren und belohnen sollte. Dann brauchen wir auch keine Frauenquoten mehr, dann werden Frauen automatisch wieder mehr in Führungspositionen sein. Ich möchte nochmals betonen, ich möchte keine Almosen oder Mitleid. Ich würde mich nicht als Feministin oder als Emanze bezeichnen. Ich bin eine Mutter, die ein erfülltes Leben haben möchte, einen Mann der eine Beziehung zu seinen Kindern hat und Kinder, die ein anderes Bild von Geschlechterrollen haben als ich es immer hatte.