Was Mütter und Familien in der Corona-Krise wirklich brauchen

Hallo! Ich bin Kristin, ich bin 45 und Mutter zweier Grundschulkinder, Haus und Gartenbesitzerin, Ehefrau eines Mannes, der in der freien Wirtschaft arbeitet, die gerade landläufig abschmiert, selbstständig arbeitend, es ist Muttertag und ich bin vollkommen erschöpft! Ich glaube ehrlich gesagt, ich war in meinem Leben schon lange nicht mehr so müde. Gestern jubelte mein Mann, dass die Tennisplätze wieder öffnen, ein Sport, den wir gemeinsam betreiben. Ich war den Tränen nah und dachte nur: Bitte nicht das auch noch!

Ich möchte mich gar nicht beschweren, wir haben in dieser Krise alle unser Päckchen zu tragen, und es gibt viele Menschen, die an ihre Grenzen gehen. Aber ich merke, dass auch ich an der Grenze bin und ich beginne, mich zu ärgern. Ich ärgere mich über gönnerhafte Artikel, die berichten, dass Frauen die ganze Last der Krise auf ihren Schultern tragen und wir uns emanzipatorisch auf den Weg in die 50er Jahre befinden. Ich ärgere mich über Vorschläge, wie der Mann mehr in die Hausarbeit und die Kinderbetreuung eingebunden werden kann und sollte. Ich ärgere mich über Analysen, dass der Perfektionsanspruch der modernen Frau Ursache ihrer Überlast und die Lösung aller Probleme alleinig in einer Verbesserung der Kommunikation zwischen Paaren zu suchen sei. Sicher ist da überall was dran und es ist wichtig, sich an der Stelle selbst gut im Blick zu haben, aber es hilft mir gerade überhaupt nicht weiter!! Sorry! Not very helpful!

Ich habe einen Mann, der mitmacht, wenn er Zeit hat und anpacken kann, ich bin gesegnet mit zwei Kindern, die gut in der Schule sind und ihre Aufgaben meist ohne großen Terror erledigen. Gott sei Dank! Ich bin in der Lage, mir meine Projekte frei einzuteilen und habe nicht viel Termindruck. Gott sei Dank!! Warum bin ich also so verdammt müde?

Mir fällt in diesen Tagen zu meinen üblichen Aufgaben wie Homeschooling, Putzen, Kochen, Garten und Einkauf noch die Aufgabe zu, eine neue Struktur herzustellen – und zwar für die ganze Familie. Eine Struktur, die sonst gehalten wird durch Schule, Arbeit, Sport, Freunde, Sport und Musikschule etc.

Klar, es war auch für mich zuerst eine Entlastung, aus dem Hamsterrad kurz auszusteigen und die Termine aus meinem Kalender streichen zu können. Eine Wohltat! Aber ein Hamsterrad ist ja nicht nur schlecht. Das Gute ist, es läuft und läuft fast von selbst. Nun bin ich diejenige, die die kleinen Hamster auf Spur hält, anschubst und bespaßt. Ich begleite täglich eine Entwicklung, die nicht aufhört, nur weil wir im Lockdown sind. Gott sei Dank! Menschen und Kinder wollen sich entwickeln und gerade Kinder brauchen dabei Führung und Struktur. Deswegen reicht es zur Entlastung nicht, dass mir ein Teil der Hausarbeit abgenommen wird oder der Mann mit den Kindern mal was unternimmt oder ich die Wollmäuse tanzen lasse und statt Spargel Dosenravioli auftische. Das kann alles helfen und ist richtig und wichtig, aber es ist nicht der Ausweg für diesen unfassbar anstrengenden Zustand!

Was wir als Familien benötigen und dringend vermissen, wurde von den Schulen und letztlich von der Bildungspolitik vollkommen missverstanden. Wir brauchen nicht noch die 10. Kreativaufgabe, das 5. Bastelpaket oder das 4. Sachkundeexperiment. Bitte nicht falsch verstehen, ich finde das alles toll, aber es überfordert mich!! Der Gedanke, jetzt neben meinen Kindern auch noch auf Bohnen aufpassen und täglich deren Entwicklung dokumentieren zu müssen, macht mich fertig! Was ich mir wünsche und was viele Familien in diesen Zeiten wirklich brauchen, sind Strukturierungshilfen. Ich wünsche mir von Schulen klare Aufgabenvermittlung, klare Zeitangaben bzw. Zeiträume und klare Feedbacks für die Kinder.

Es ist meines Erachtens ein großes Missverständnis, dass Schulen und Lehrer denken, sie überfordern Kinder damit oder bereiten ihnen Druck. Das Gegenteil ist der Fall. In dieser unstrukturierten „jeder kocht sein eigenes Süppchen Politik“ wird die Herkules-Aufgabe der Strukturierungsarbeit den Kindern und Eltern ZUSÄTZLICH aufgebürdet. Hier mache ich den Schulen und den Lehrern keinen Vorwurf, sondern einer Bildungspolitik, die in diesen Zeiten, warum auch immer, keinen Plan hat und vorlegt und es schon lange versäumt hat, Strukturen aufzubauen, in denen eine es möglich wäre, diese Zeit leichter zu überstehen. Ich ärgere mich!

Die Lösung ist nicht, die Schulen im Blindflug aufzureißen, sondern Konzepte zu entwerfen und zu implementieren, die beim Homeschooling die Struktur gleich mitliefert und nicht den Eltern überlässt. Mir persönlich wird angst und bange, wenn ich daran denke, dass dies noch Monate so gehen kann. Ich bin ehrlich gesagt nicht bereit und habe auch nicht die Kraft dazu, die Arbeit zu übernehmen, die gerade im Ministerium nicht geleistet wird. Sicherlich gar nicht in böser Absicht, sondern weil sie wahrscheinlich wirklich nicht wissen, was eigentlich das Problem ist. Eltern und Kinder brauchen dringend Hilfe bzw. mentale Entlastung – und Basteln ist hier nicht die Lösung!