Die tragende Rolle des Klopapiers in Zeiten der Isolation

Mir fällt in hiesigen Tagen die Aufgabe des Ober-Hamsters zu, der sich um die Versorgungslage der Familie kümmert. Das mit dem Hamster ist nicht wörtlich zu nehmen, denn ich habe mich bisher geweigert zu hamstern. Ich habe, wie Frau Merkel so schön unterschied, einen Vorrat angelegt, aber „mit Augenmaß“.

Dieses Augenmaß sagte mir heute Morgen, dass das Klopapier zur Neige geht. Diese Woche kommen wir noch lang … aber dann … ich renne zur Gästetoilette, wo die Jüngste gerade singend ihr Geschäft verrichtet und rationiere radikal! Hier werden keine Papier-Orgien mehr gefeiert!! Wir müssen sparen!

Ich spüre, es macht mich nervös! Mich, die haufenweise Klopapier Witze in den sozialen Medien liked. Warum? Ich begebe mich auf Spurensuche. Warum macht mich der Mangel an Klopapier nervös, aber nicht der Mangel an Nudeln oder Mehl? Der Gedanke kam mir auf dem Klo, da kommen einem eh immer die produktivsten Ideen.

Um zu ergründen, welche tragende Rolle Klopapier in Zeiten von Corona spielt, müssen wir verstehen, welche Funktion Klopapier hat. Praktisch, aber auch psychologisch. Klopapier bildet die letzte Bastion zwischen uns und unseren Endprodukten. Den Resten, die unser Körper in mühevoller Arbeit produziert. Die letzte Konsequenz unserer Eingeweide, die keiner sehen will und die gewöhnlich möglichst schnell geräuschlos im Tiefspüler versenkt werden.

Das ist genau wie mit dem Müll. Wir produzieren ihn Tag für Tag, aber keiner will sich ernsthaft damit beschäftigen. Der Mülltonnendeckel wird möglichst schnell geöffnet und geschlossen, die Müllabfuhr zügig überholt, weil es so stinkt. Der Müll ist der ungeliebte Rest unseres Alltags, die oft ungeliebte Konsequenz unserer Lebensweise.

Genauso ist das Restprodukt unseres Körpers die sicht- und riechbare Folge daraus, wie wir leben. Wie diszipliniert oder undiszipliniert wir sind, wie gesund oder krank, kurzum, Kacke ist gnadenlos!
Wer möchte sich schon genau damit beschäftigen, es sei denn, man macht eine fernöstliche Ayurveda Kur oder ähnliches?

Unsere westliche Kultur beschäftigt sich üblicherweise ungerne mit übelriechenden Konsequenzen und Resten, denn in diesem Abstand liegt die Kultivierung. Wühlen im Müll oder in den eigenen Fäkalien ist unkultivierte Barbarei und wird den Kindern schon in jungen Jahren schnellstmöglich abgewöhnt.  Was passiert nun, wenn wir uns dieser 4 lagigen, extrasoften Müllabfuhr nicht mehr bedienen können?

Wenn wir unseren eigenen Endprodukten Auge in Auge gegenüberstehen? Wir im wahrsten Sinne des Wortes mit der eigenen Scheiße konfrontiert werden, die wir so lange Jahre mit Hilfe der Hygiene Industrie erfolgreich ausgeblendet haben. Das will man nicht. Dazu sind wir NOCH nicht bereit!
Und doch hat diese Angst vor der Barbarei auch eine faszinierende Seite.
Die Flut an Videos, die im Moment minütlich auf unseren Handys eintrudeln, die den Mangel an Klopapier und die daraus entstehende Kreativität zum Gegenstand haben zeigt, dass diese Gefahr auch eine tiefe, kindliche Lust birgt, uns näher mit diesem fäkalen Thema auseinander zu setzen.
Eichhörnchen werden als Klopapier missbraucht und der alte Bären-Witz: „Sag mal, fusselst Du?“ hat wieder Hochkonjunktur. Auch ich kann darüber herzlich lachen und trotzdem gehe ich jetzt lieber los und versuche, Klopapier zu ergattern. Wenn das nicht erfolgreich ist, muss ich mir Gedanken machen, wie wir uns mit dieser neuen Klopapierlosen konfrontativen Situation anfreunden. Frei nach dem Motto: Scheiße als Chance!